Vom Hype zur Kritik: Die Folgen von Duolingos KI-Entscheidung
Duolingo setzt auf Künstliche Intelligenz, doch nicht alle Nutzer sind überzeugt. Welche Folgen die Entscheidung hat und wie das Unternehmen reagiert.
Duolingo ist heute eine der bekanntesten Sprachlern-Plattformen der Welt. Seit ihrer Gründung 2011 hat sie Millionen Menschen beim Lernen neuer Sprachen unterstützt. Doch das Unternehmen begann, seine Inhalte zunehmend mit Künstlicher Intelligenz (KI) zu entwickeln. Eine Entscheidung, die seither weniger für Lob und viel mehr für Kritik und intensive Diskussionen sorgt.
Der Wandel zur Automatisierung
Noch bis vor wenigen Jahren wurden die Lerninhalte bei Duolingo überwiegend manuell erstellt: Teams von Sprachwissenschaftlern, Didaktikern und Entwicklern gestalteten Kurse, prüften Inhalte und verbesserten Lektionen Schritt für Schritt. Doch 2025 entschied sich das Unternehmen für einen radikalen Wandel. Teile dieses aufwendigen Prozesses werden inzwischen durch KI ersetzt.
CEO Luis von Ahn bezeichnete dies als eine der wichtigsten Entscheidungen des Unternehmens. Inhalte könnten dadurch schneller erstellt und neue Sprachen effizienter in die App integriert werden. Das Unternehmen habe, so von Ahn, bewusst den Weg gewählt, zügig voranzugehen, auch wenn das gelegentlich bedeute, dass Abstriche bei der Qualität in Kauf genommen werden müssten.
Wachstum mit Dämpfer
Duolingo meldete zunächst ein stabiles, wenn auch gedämpftes Wachstum. Doch spätestens im Sommer 2025 zeigte sich die Kehrseite. In einer Telefonkonferenz zum zweiten Quartal räumte das Management ein, dass das Nutzerwachstum deutlich abgebremst sei, insbesondere in den jüngeren Zielgruppen in den USA und Kanada.
Von Ahn selbst machte dabei nicht die Technologie verantwortlich, sondern die Art und Weise, wie das Unternehmen darüber kommuniziert habe. Viele Nutzer hätten zu wenig Kontext erhalten, wie genau KI in die Lernprozesse integriert werde. Die Folge: Misstrauen, Skepsis und in sozialen Netzwerken sogar Aufrufe zum Boykott.
Warum Verbraucher so kritisch reagieren
Die ablehnenden Reaktionen überraschen nicht, wenn man den größeren Kontext betrachtet. Viele Menschen nutzen KI zwar schon, oft ohne es zu merken, begegnen ihr aber gleichzeitig mit Unsicherheit. Studien zeigen dabei ein widersprüchliches Bild: In einer Forrester-Umfrage gaben nur 38 Prozent der online-aktiven Erwachsenen in den USA an, generative KI überhaupt schon einmal genutzt zu haben, während Accenture ermittelte, dass mehr als 70 Prozent regelmäßig mit entsprechenden Tools arbeiten.
Auch in Deutschland zeigt sich dieses Spannungsfeld: Laut Bitkom setzen inzwischen 73 Prozent der Internetnutzer auf KI-Anwendungen, gleichzeitig fürchten viele eine wachsende Abhängigkeit von ausländischen Anbietern. Das macht deutlich: Nicht die Technologie an sich sorgt für Skepsis, sondern die fehlende Transparenz, welchen konkreten Nutzen sie im Alltag bringt. Wer hingegen den Mehrwert erkennt, entwickelt schneller Vertrauen. Wer nur das Schlagwort „KI“ hört, reagiert dagegen oft mit Ablehnung.
Die Angst vor der Ersetzbarkeit
Ein weiterer Faktor: Viele Menschen haben weniger Angst vor KI selbst, sondern vielmehr vor der Botschaft, die Unternehmen damit aussenden. Bei Duolingo führte die Entscheidung, einen großen Teil der Vertragsarbeiter durch KI zu ersetzen und keine neuen Mitarbeiter einzustellen, deren Arbeit automatisiert werden kann, zu erheblicher Kritik. Für viele Nutzer wirkte das so, als sei menschliche Arbeit beliebig austauschbar. Ein Signal, das Vertrauen zerstören kann.
Experten wie Terra Higginson von der Info-Tech Research Group warnen deshalb ausdrücklich davor, Kommunikation in diese Richtung zu gestalten. Eine Marke laufe Gefahr, ihr Ansehen zu verlieren, wenn der Eindruck entsteht, es gehe vor allem darum, Kosten zu sparen, statt den Nutzern einen echten Mehrwert zu bieten. Kurzfristig mag das für Investoren attraktiv erscheinen, langfristig kann es jedoch das Vertrauen der Kunden beeinträchtigen und Reaktionen wie Boykottaufrufe auslösen. Besonders kritisch ist dies, wenn nicht klar wird, wie die eingesetzte Technologie konkret das Lernerlebnis verbessert.
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Was Duolingo (noch) nicht erklärt
Genau hier liegt das Problem: Duolingo hat zwar transparent gemacht, dass KI eingesetzt wird, jedoch nicht, wie sich dies positiv auf das Lernerlebnis auswirkt. Nutzer lesen Schlagzeilen über entlassene Vertragsarbeiter oder über schnellere Content-Produktion, aber kaum etwas darüber, wie Duolingo KI beispielsweise personalisierte Lernwege verbessern, Fehler individueller erkennen oder motivierende Lernstrategien entwickeln könnte.
Damit bleibt das Wertversprechen vage. Statt einer Erzählung, die sich auf den Mehrwert für die Lernenden konzentriert, dominiert der Eindruck von Rationalisierung und Kostensenkung.
Ein besserer Weg im Umgang mit KI
Was könnte Duolingo also tun? Experten wie Higginson empfehlen, die Geschichte umzudrehen: Statt KI als Ersatz menschlicher Arbeit darzustellen, sollte die Plattform betonen, dass KI ein Werkzeug sei, das Mitarbeitern ermögliche, Lerninhalte noch besser auf die Bedürfnisse der Nutzer zuzuschneiden.
„Es geht darum, den Mitarbeitern die besten Tools zu geben, um einen Mehrwert für die Lernenden zu schaffen“, so Higginson. Damit würde das Unternehmen nicht nur die Marke stärken, sondern auch die Marktposition absichern. Denn ein besseres Produkt lässt sich schwerer kopieren.
Auch Liu von Forrester bringt es auf den Punkt: Letztlich läuft alles auf eine einfache Frage hinaus. Welchen Nutzen hat der Kunde von KI? Wer diese Frage überzeugend beantworten kann, wird weniger mit Skepsis zu kämpfen haben.
Die Rolle der Kundenkommunikation
Ein zentrales Versäumnis war bislang, die Nutzer stärker einzubeziehen. Statt nur über KI zu sprechen, hätte Duolingo die Community in die Diskussion integrieren können: etwa durch Pilotprojekte, Nutzerfeedback oder transparente Darstellungen, wie neue KI-gestützte Features im Alltag helfen.
Indem Kunden vollständig aus der Entscheidung herausgehalten wurden, entstand eine Distanz, die den Widerstand noch verstärkte. Der Aufruf zum Boykott auf Social Media war deshalb nicht nur eine Reaktion auf KI, sondern auch auf das Gefühl, übergangen worden zu sein.
Ausblick: Vertrauen schaffen durch Transparenz
Die Erfahrungen von Duolingo zeigen, wie sensibel das Thema KI im Bildungsbereich ist. Viele Menschen erkennen die Chancen, doch sie wollen verstehen, was genau sich verändert und welchen Mehrwert sie davon haben. Unternehmen wie Duolingo müssen daher lernen, ihre Botschaften klarer auszurichten: weniger über Effizienzgewinne, mehr über Lernfortschritte.
Besonders kritisch ist zudem der massive Ersatz menschlicher Arbeit durch KI. Die Entlassung vieler Vertragsmitarbeiter hat gezeigt, dass solche Entscheidungen schnell zu Skepsis und Ablehnung führen können. In Duolingos Fall äußerte sich dies unter anderem in Boykottaufrufen. Lernen, wie KI sinnvoll eingesetzt wird, reicht nicht: Entscheidend ist auch, wie die Veränderungen kommuniziert werden und dass der Mehrwert für Lernende deutlich erkennbar bleibt.
Wenn es gelingt, die Geschichte von KI nicht als Rationalisierung, sondern als Bereicherung zu erzählen, kann daraus ein echter Wettbewerbsvorteil entstehen. Lernende suchen nicht nach Technologie um der Technologie willen, sondern nach Werkzeugen, die ihnen helfen, eine Sprache besser und schneller zu lernen und sie wollen dabei spüren, dass menschliche Expertise weiterhin geschätzt wird.
Quellen
Bitkom: „KI-Nutzung boomt – aber die Angst vor Abhängigkeit vom Ausland ist groß" - 5. Mai 2025
CX Dive: „Duolingo went ‘AI-first’ and then came the consumer backlash"- 8. August 2025
26 August 2025
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